Die erste Hüfterkrankung, die man bereits beim Säugling feststellt, ist die Hüftdysplasie. In Deutschland ist inzwischen ein Screeningprogramm mit Ultraschall vorgeschrieben, wodurch wir bei den meisten Säuglingen sehr früh eine Behandlung einleiten können.
Hüftdysplasie bedeutet, daß der Hüftkopf nicht genügend von der Hüftgelenkpfanne überdacht ist. Unbehandelt kann das zu Problemen im jungen Erwachsenenalter führen. Es hat sich gezeigt, daß ein Großteil der Hüftprothesen bei jungen Menschen heute wegen nicht erkannter Hüftdyplasie eingesetzt werden muss.
Beim gesunden Hüftgelenk ist der Hüftkopf zu mindestens 50% überdacht. Ist die Hüftgelenkpfanne flacher ausgebildet, führt dies zu mangelhafter Überdachung. Im schwersten Fall Steht der Hüftkopfdurch den Zug der Muskulatur ausserhalb des Gelenkes. Das nennt man Hüftluxation.
Beim Erwachsenen kann durch eine geringere Überdachung des Hüftkopfes ein früher Gelenkverschleiss eintretten, weil die Last auf das Gelenk auf eine kleinere Fläche verteilt werden muss.
Ultraschall
Alle Säuglinge in Deutschland erhalten bei der U3, also nach 4-6 Wochen einen Hüftultraschall- entweder vom Kinderarzt, oder von einem Orthopäden. Das ist inzwischen gesetzlich vogeschrieben. Bei dieser Untersuchung wird die Reifung der Hüfte beurteilt, die beim Säugling noch um Wesentlichen aus Knorpel besteht. Das ist überhaupt der Grund, warum eine Beurteilung mit Ultraschall möglich ist- nur die weichen, schalldurchlässigen Strukturen können nämlich von Schallwellen durchdrungen und damit sichtbar gemacht werden. Ab dem 7. Lebensmonat kann die Darstellung mit Ultraschall durch zunehmende Verknöcherung nicht mehr aussagekräftig genug sein. Dann kann ein Röntgenbild helfen, die Situation zu beurteilen.
Es werden Winkel gemessen
Sie haben wahrscheinlich schon mitbekommen, dass es meistens um Winkelmesungen geht- wir messen immer den sog. Alpha- und den Betawinkel.
Der Erfinder der heute gängigen Messmethode, Professor Reinhard Graf , hat nach ausgiebigen Untersuchungen eine Einteilung der Schwere der Hüftgelenkdyplasie eingeführt. Die Einteilung reicht von einer relativ harmlosen Verzögerung der Pfannenentwicklung bis hin zur schweren Entwicklungsstörung, der Hüftgelenkluxation. Bei der Hüftgelenkluxation ist die Pfanne so flach ausgebildet, dass der Zug der Muskulatur den Hüftkopf aus der Pfanne herausbewegt.
In den meisten Kliniken werden Reifungsverzögerungen und echte Hüftdysplasien heute nach einem Schema behandelt, dass sich an den Messungen im Ultraschall orientiert.
Das Ziel der Behandlung ist immer, den Hüftkopf zentral im Hüftgelenk einzustellen und die Ausbildung einer tiefen Hüftpfanne zu fördern.
Abspreizorthese
Am häufigsten wird dazu eine Abspreizorthese verwendet. Es gibt unterschiedliche Arten von Orthesen, gemeinsam ist allen, dass durch eine Beugung im Hüftgelenk und eine Abspreizung, Druck in die Gelenkpfanne erzeugt wird, die sich dann tiefer ausbildet.
Die Dauer der Behandlung mit einer Orthese richtet sich nach der im Ultraschall sichtbaren Entwicklung des Hüftgelenkes. Grundsätzich gilt: Je früher die Behandlung beginnt, desto kürzer dauert sie.
Gipsbehandlung,
Wenn eine Instabilität im Hüftgelenk vorliegt, die Hüftpfanne sehr flach ausgebildet ist oder die Hüfte sogar ausgerenkt ist, dann kann nur in den ersten Wochen versucht werden, mit einer Orthese zu behandeln.
In vielen Fällen muss dann sichergestellt werden, dass das Hüftgelenk dauerhaft in der richtigen Position ist. Das kann mit einer Gipsruhigstellung erreicht werden. Dabei wird dem Säugling eine Art Hose aus Gips angepasst, die die Hüftgelenke Ruhigstellt. Der konstante Druck in Richtung des Zentrums des Hüftgelenkes führt dann zu einer Vertiefung der Pfanne. Einen solchen Gips muss man in einer leichten Narkose anlegen, weil das Kind sich dabei nicht bewegen darf.
Exensionsbehandlung
Wenn sich die Gelenke nicht einfach in die Pfanne einstellen lassen, dann muss ein schonendes Einrenken der Hüftgelenke mit einer sog. Extension erfolgen.
Dazu muss der Säugling stationär aufgenommen werden, was gerade in der Situation nach einer Geburt, für die meisten Familien eine starke Belastung bedeutet.
Bei der Behandlung liegt der Säugling dauerhaft auf dem Rücken und es wird dosiert Zug auf beide Beine ausgeübt. Das lockert die Weichteile um das Hüftgelenk und kann schliesslich dazu führen, dass die Hüften wieder zentriert stehen.
Die Vorstellung, dass das Neugeborene quasi gefesselt und unter Zug in einem Bettchen liegt, ist für die meisten Eltern schwer vorzustellen. Aber die Erfahrung zeigt, dass diese Phase der Behandlung im Prinzip gut zu überstehen ist. Viele Mütter können nach kurzer Zeit Ihren Säugling auch in Rückenlage stillen und sie kommen damit gut zurecht, dass Ihr Kind zunächst nur für ca. eine Stunde pro Tag ohne Zug an den Beinen sein darf.
An diese Form der Behandlung schliesst sich in der Regel dann eine mehrwöchige Behandlung im Gips an. Mit Ultraschall wird die Position der Hüften kontrolliert, manchmal auch mit einer Magnetresonanztomopraphie (MRT), die Behandlung wir dann beendet, wenn eine gute Einstellung der Hüften erreicht ist.
Operation
Eine Operation wird notwendig, wenn die Hüften ausgerenkt (luxiert) stehen und sich mit den oben genannten Methoden nicht wieder einrenken lassen. Solche Operationen sind bei Säuglingen sehr selten notwendig. Dabei wird das Hüftgelenk dann freigelegt und eventuelle Hindernisse ausgeräumt, die zu der Hüftausrenkung geführt haben.
Wenn sich die Hüften trotz Behandlung mit Schienen oder Gipsen nach Monaten nicht ausreichend entwickelt haben und Pfanne weiter viel zu flach bleibt, dann kann eine Operation helfen, die Pfanne zu vertiefen und eine ausreichende Überdachung zu erzeugen. Meistens wird mindestens bis zum Abschluss des ersten Lebensjahres gewartet, bis dann ein Eingriff erfolgt, bei dem das Pfannendach heruntergeschwenkt wird. Solche Operationen könne das Laufenlernen verzögern, führen aber häufig zu einem gut ausgebildeten Hüftgelenk.